Grüße zum Jahreswechsel
Liebe Schachfreunde,
das Jahr 2020 neigt sich nun endlich dem Ende zu. Dies ist wohl eines der seltsamsten Jahre in der Geschichte des Berliner Schachverbandes e.V. Manche werden sich noch an schlimmere Zeiten im Krieg und der Nachkriegszeit erinnern, und auch sonst war die Geschichte des BSV nicht ereignisarm – hier sei beispielhaft die Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten, der geteilten Hauptstadt und auch ihrer Schachverbände genannt. Aber dass ein Jahr fast vollständig im Zeichen einer Krankheit stand, damit hat vorher dann doch niemand gerechnet.
Der Jahresbeginn erfolgte noch routinemäßig. Aber wer hätte geahnt, dass die Seniorenmeisterschaft das letzte große Turnier des Jahres sein würde? Die BMM lief noch normal an, ab der 7. Runde begannen bereits die Diskussionen über mögliche Absagen, und nach der 8. Runde erfolgte dann auch seitens der Politik die vollständige Einstellung des Spielbetriebs. Seitdem hangeln wir uns mühsam von einer Lockerung zum nächsten Verbot.
Eine der wenigen Live-Veranstaltungen war der verschobene Verbandstag. Hier ging es nur um Personalien, Sachanträge lagen nicht vor. Landesspielleiter Andreas Rehfeldt hatte seinen Abschied schon im letzten Jahr verkündet. Er wurde vom ebenfalls scheidenden Präsidenten Carsten Schmidt mit der Silbernen Ehrennadel geehrt. Carsten empfing die Goldene Ehrennadel aus der Hand des eigens als Laudator angereisten Präsidenten des Deutschen Schachbunds, Ullrich Krause. Dass man auch als ausgeschiedener Funktionär seine Freizeit gut nutzen kann, zeigte Carsten, indem er kurz nach seinem 50. Geburtstag auch Hochzeit feierte. Der BSV gratuliert zu beiden Ereignissen ganz herzlich.
Ich bedanke mich hier nochmals, dass Sie mir das Vertrauen ausgesprochen haben, den BSV in den nächsten beiden Jahren zu leiten. Die notwendigen Neubesetzungen der Positionen des Vizepräsidenten und des Landesspielleiters durch Paul Meyer-Dunker und Tony Schwedek haben bundesweit Aufsehen erregt, zunächst aufgrund des Alters der Betroffenen: U30-Funktionäre außerhalb der Schachjugenden sind selten.
Die meisten Veränderungen, die wir begonnen haben, sind nach außen nicht besonders sichtbar. Nachdem wir ja nur online tagen können, haben wir den Abstand zwischen den Präsidiumssitzungen deutlich verkürzt und tagen alle drei Wochen. Die Protokolle stehen in der Regel nach wenigen Tagen online. Besonders Paul hat sich verdient gemacht um Verbesserungen der internen Abläufe und beim Kontakt zu Sportfunktionären beim LSB und in den Fraktionen des Abgeordnetenhauses. Leider konnte für die spezielle Situation des Schachsports in der Politik noch keine Aufmerksamkeit erzeugt werden. Einige Vereine leiden unter unnötigen zusätzlichen Einschränkungen, die von den Bezirken aus Angst und ohne Sachgrund verhängt werden. Das Hygienekonzept des BSV, das noch vom alten Präsidium entworfen wurde, ging noch über die gesetzlichen Vorschriften hinaus. Schach hätte in diesem Rahmen sicher gespielt werden können.
Die Aufgaben der Geschäftsstelle werden überarbeitet, und in diesem Rahmen wird nochmals überdacht, was wirklich dort aufbewahrt werden muss. Im administrativen Teil arbeitet das Präsidium mit Bettina Bensch da eng zusammen; das dort gelagerte Spielmaterial hat unser neuer Materialwart Ralf Ettel bereits übersichtlich umgeordnet.
Tony hat gezeigt, dass er den Spielbetrieb im Griff hätte, wenn er denn stattfinden könnte. Die Planung, Absage und immer wieder Neuplanung der Quarantäneliga erfolgt professionell, und auch die kleineren Turniere sind von der Ausschreibung bis zum Ausfall gut organisiert. Unterstützt wird er dabei vom Spielausschuss, in den zu den bisherigen Mitgliedern Bernhard Riess und Jan Engelmann die neue Frauenreferentin Jessica Reck und Erdal Caglar dazugestoßen sind. Zwangsweise finden die meisten Aktivitäten online statt. Hier haben sich regelmäßige Turniere am Wochenende etabliert, die von Bernhard und Mitglieder- und Wertungsreferent Olaf Kreuchauf betreut werden. Dass die BBEM als Hybridturnier mit Livestream-Kommentar ausgetragen wird, wurde in ganz Deutschland zur Kenntnis genommen.
Online-Schach profitiert von der aktuellen Lage. Die Netflix-Serie „Das Damengambit“ hat dort zu einem Mitgliederzuwachs geführt, und besonders der Frauenanteil ist online stark angestiegen. Die Pandemie hindert uns im Moment noch daran, auch am Brett auf diesen Zug aufzuspringen. Wir werden die Szene aber aufmerksam beobachten. Dass es in Deutschland nur etwa neunzigtausend, in Berlin nicht einmal dreitausend organisierte Schachspieler gibt, kann uns angesichts der aktuellen Schachbegeisterung nur Herausforderung sein. Wir werden Mittel und Wege suchen und, da bin ich sicher, gemeinsam mit den Vereinen auch finden, die Begeisterung vom Internet in die Spiellokale zu kanalisieren. Online-Schach ist keine Bedrohung für das klassische Schach, es zeigt uns aber, dass wir uns gerne mehr anstrengen dürfen. Insbesondere der viel zu geringe Frauenanteil in den Vereinen zeigt, dass hier noch am sozialverträglichen Miteinander gearbeitet werden muss. Bis dahin bleibt den Vereinen in der Pandemie die Aufgabe, das zu tun, was nur real-life-Vereine können und was kein Lichess, Chessbase oder chess.com je tun wird: sich um ihre Mitglieder zu kümmern, von denen nicht wenige von allen Kontakten abgeschnitten sind und zu vereinsamen drohen. Hier können sich die Vereine als Segen erweisen, wenn sie ihre Spielerinnen und Spieler telefonisch oder – wo es ohne Risiko möglich ist – auch durch persönlichen Besuch daran erinnern, dass wir eine Gemeinschaft sind, in der auch ohne Computer niemand vergessen wird.
Im DSB hat man die neue Berliner Personalsituation bereits registriert. Beim letzten Hauptausschuss traten verschiedene Probleme deutlich zutage. Im Schachboom schaffte es auch der DSB in die überregionalen Blätter – leider hauptsächlich mit den Querelen im Leistungssportbereich, und auch die Schwierigkeiten bei der Ausgründung der DSJ wurden immer wieder erwähnt. Zum letzteren Thema stellte der BSV einen von Paul geschriebenen Änderungsantrag,, der von mir vertreten wurde und eine sehr breite Mehrheit fand. Damit haben wir verhindert, dass es eine Sonderumlage für jedes Mitglied gibt; stattdessen werden die Startkosten der DSJ aus dem Haushalt des DSB bezahlt. Vielleicht ist es die Aufgabe des BSV in der nächsten Zeit, die hoffnungslos zerstrittenen Konfliktparteien im DSB gelegentlich zu Kompromissen in der Sacharbeit zusammenzuführen.
Die Außendarstellung des BSV hat sich geändert und wird sich weiter ändern. Die Abschaltung der Kommentarfunktion hat manchen Unmut erregt. Interessanterweise haben sich gerade einmal zwei Schachkollegen – beide in der Führung ihres Vereins tätig – bei mir gemeldet, um darüber zu diskutieren, und ich glaube, beide überzeugt zu haben, dass dieser Schritt zwar traurig, aber unausweichlich war. Die interne Diskussion darf nicht entfallen, aber sie gehört nicht auf die Titelseite der Webpräsenz. Selbst der DSB-Präsident hat mich aufgefordert, die Kommentare wieder freizuschalten – er habe dort immer sehr lachen können. Und das zeigt, dass interne Diskussionen intern bleiben sollen. Das zwischenzeitlich als Notlösung eingerichtete Facebook-Forum wird sehr zögerlich angenommen, und Wortmeldungen gibt es dort kaum. Inzwischen ist der Auftrag zur seit eineinhalb Jahren vorbereitete Neugestaltung der Webseite vergeben, und dabei wird dort ein geschlossenes (!) Forum eingerichtet, in dem sich alle BSV-Mitglieder frei und ungehindert austauschen können.
Auch das Neue Jahr wird unter Pandemiebedingungen beginnen. Viele Turniere sind geplant, manche in Hybridform, und selbst für die BEM mit QT wird eine Lösung gesucht. Wir werden sehen, was dann wirklich möglich sein wird, und wenn ich mir anschaue, auf welchen Widerstand selbst die einfachen Maßnahmen Abstand, Maske und Lüftung treffen und welche Folgen das für die Zahl der Neuerkrankungen hat, hoffe ich, dass wir wenigstens die noch ausstehende Runde der BMM nachholen können und dank Impfung nach den Sommerferien wieder halbwegs regulär spielen können.
Ich wünsche Ihnen, dass Sie die Zeit bis dahin geduldig ertragen und sinnvoll gestalten. Ich wünsche Ihnen und Ihren Angehörigen, dass Sie gesund bleiben. Ich wünsche uns allen ein schöneres 2021.
Christian H. Kuhn
Präsident