Umkämpftes Unentschieden bei der ND-Schachgala
Rund sechs Stunden dauerte gestern die neufrisierte Auflage der insgesamt neunten Schachgala der Tageszeitung “neues deutschland” (nd). Erstmals waren nicht nur Frauen am Start, weswegen der Zusatz “Damen” aus dem Titel der Veranstaltung gestrichen wurde. Diesmal kamen auch die Männer (ausnahmsweise?) zum Zuge. Die beiden 17-jährigen Internationalen Meister Matthias Blübaum und Dennis Wagner stießen dazu. Auf die beiden sogenannten “Schachprinzen” des Deutschen Schachbundes angesetzt wurden die stärkste Schachspielerin Deutschlands, Elisabeth Pähtz (29), und Walentina Gunina (25, Russland), amtierende Europameisterin und eine der stärksten schachspielenden Frauen Europas.
Mädchen gegen Jungen, Frauen gegen Männer, Königinnen gegen Prinzen oder wie nd-Geschäftsführer Olaf Koppe sich bei der Eröffnung versprach “Königinnen gegen Prinzessinnen”.
Die beiden Damen sollten ein Team bilden und ebenso die jungen Herren, die zur Zeit mit Unterstützung diverser Geldgeber ein Schachjahr absolvieren. Matthias und Dennis haben für ein Jahr mit Zustimmung ihrer Eltern die berufliche Laufbahn verschoben und widmen sich jetzt ausschließlich dem Schach. Ziel ist es, die FIDE-Elo auf über 2.600 zu steigern und nebenbei den Großmeistertitel abzuräumen. Heroische Vorhaben in so einer kurzen Zeit, zumal bereits fast die Hälfte der Zeit vorbei ist, beide noch um 2.500 stagnieren und nur auf Matthias der GM-Titel wartet.
Schiedsrichter Horst Metzing informierte zu Beginn über den etwas komplizierten Modus. Schnellschach, Blitzschach, Doppelschach, unterschiedliche Punktevergaben. Das überforderte viele der schätzungsweise 30-40 Zuschauer (ohne die Mädels vom Kinderturnier), die im Laufe des Nachmittags und Abends im Münzenbergsaal des nd-Verlagsgebäudes eintrafen. Die Zahl der Kiebitze hört sich gering an, doch wenn man bedenkt, das die Bahn seit frühmorgens von einem 98-stündigen Streik lahmgelegt wird, ist das dann doch wieder recht viel. Der nd-Verlag ist am günstigsten vom Ostbahnhof zu erreichen, wo allerdings so gut wie nichts fuhr.
Zwei Runden Schnellschach mit je 25 Minuten und 10 Sekunden Inkrement standen zu Beginn an. Matthias Blübaum überspielte Walentina Gunina bereits in der Eröffnung und nahm ihr einen Bauern ab. Nach den Worten Uwe Bönsch‘s, der im Nebenraum die Partien kommentierte, hatte er genau diese Variante am Vormittag mit Matthias vorbereitet. Es reichte trotzdem nicht zum vollen Punkt. Die Russin kämpfte erbittert und gewann im Turmendspiel den Bauern zurück – remis.
In der anderen Partie zwischen Dennis Wagner und Elisabeth Pähtz war sich der Kommentator irgendwann nicht mehr sicher, wer hier eigentlich am Drücker ist. Den Raumvorteil von Dennis am Damenflügel machte Elisabeth mit einem Angriff am Königsflügel wett. Nachdem der Rauch verflogen war, hatte Dennis zwei Mehrbauern. Wegen der ungleichfarbigen Läufer war das Remispotential aber noch hoch. Elisabeth verpatzte die mögliche Punkteteilung am Schluß, als sie eine Abzugsdrohung nicht richtig ernst nahm. Damit gingen die Schachprinzen mit 1½:½ in Führung.
Die Damen durften in Runde zwei nun die weißen Steine führen. Gunina kam damit gegen Wagner schrecklich unter die Räder. Besser machte es Pähtz gegen Blübaum. 1:1 und damit 2½:1½ im Schnellschach für Blübaum/Wagner.
Blitzschach wurde mit 3/2 gespielt, also 3 Minuten mit 2 Sekunden Inkrement, der bei der FIDE üblichen Bedenkzeit. Im ersten Durchgang gab es nur Weißsiege. Blübaum/Gunina trennten sich wie Wagner/Pähtz jeweils 1:1. In Durchgang zwei verloren die beiden Damen ihre Weißpartien, wobei Gunina diesmal gegen Wagner spielte. Mit Schwarz konnten sie den Spieß nicht mehr umdrehen, erreichten aber noch ein 1:1.
Da es für die Blitzpartien nur halbe Wertungen gab, wurde aus dem 5:3 für Blübaum/Wagner ein 2½:1½. Gesamtstand somit 5:3.
Zum Abschluß traten die beiden Duos gemeinsam an einem Brett im Schnellschach gegeneinander an. Gezogen werden mußte abwechselnd und Pähtz/Gunina hatten Weiß. Da ein Sieg hier mit 2 Punkten belohnt wurde, hatten die beiden noch die Chance zum Ausgleich. Und den schafften sie auch, nachdem die Jungen leichtfertig einen Bauern gaben.
5:5 war der Endstand und nun sollte eigentlich ein Stichkampf folgen. Die Frauen hatten darauf aber keine Lust mehr, während die beiden 17-Jährigen mehrere Minuten miteinander diskutierten. Letztendlich beugten sie sich dem weiblichen Charme.
Während der beiden Schnellpartien spielten 14 Mädchen ein fünfrundiges Turnier. Siegerin wurde die außer Konkurrenz startende Annika Sauer mit 5 Punkten. Zweite und damit eigentliche Siegerin Laura Kribben, die Tochter unseres ehemaligen Präsidenten. Laura erwarb sich dadurch das Recht auf der Bühne gegen Dennis Wagner im Blitzschach anzutreten. Im zweiten Duell forderte mit Martin Minski ein ehemaliger Treptower Vereinsspieler Matthias Blübaum heraus. Minski wurde vom nd-Chef aus dem Lostopf gezogen. Beinahe wäre ich auch in diesem Topf gelandet, als mich ein nd-Mitarbeiter ansprach.
Minski, DWZ 1979, spielte seit fünf Jahren keine reguläre Partie mehr. Er widmet sich seit Jahren dem Problemschach und hier insbesondere den Studien. Bis zum FIDE-Meister hat er es in dieser Disziplin bereits gebracht.
Gegen Blübaum hielt er sich trotz seltsamer Eröffnung sehr wacker, verlor aber genauso wie Laura am Nebenbrett.
Während die beiden IM auf der Bühne ihre Blitzpartie spielten, traten Elisabeth und Walentina im Simultan gegen die Mädchen vom Kinderturnier an. Doch nicht nur ganz kleine Mädchen saßen an den Brettern. Auch eine Prominente mischte sich darunter, die 34-jährige Sängerin und Schauspielerin Vaile. Sie wurde deutschlandweit in der Schachszene bekannt, als sie 2008 Botschafterin der Schacholympiade in Dresden wurde.
Elisabeth und Walentina gewannen alle ihre Partien, mußten sich aber teilweise harter Gegenwehr widersetzen. Luise Schnabel, amtierende Berliner Meisterin U10 bei den Jungen(!), forderte Gunina mit am Längsten.
Sana Fock – Berliner Meisterin U12 2013
Amina Fock – Berliner Vizemeisterin U12 2014
Bis auf eine Blitzpartie konnte Felix Fürnhammer, der für die technische Umsetzung der Live-Übertragung verantwortlich war, alle Partien zur Verfügung stellen.