Schachkulturabend der Laskergesellschaft im Café Sibylle
Zu den vielen hochkarätigen Veranstaltungen am Rande des WM-Kandidatenturniers gehört eine Talkrunde der Lasker-Gesellschaft am Mittwoch, dem 21. März, ab 19.30 Uhr im Café Sibylle (Karl-Marx-Allee 72). Der Abend mit prominenten Gästen wie Großmeister Dr. Helmut Pfleger widmet sich dem Thema, welche Anforderungen an die Qualifikation und das Bestehen eines Wettkampfs um die Schachweltmeisterschaft zu bewältigen sind. Insbesondere Carsten Hensel, der Manager von Wladimir Kramnik und Peter Leko, die 2004 um die Schachkrone kämpften, wird dazu berichten und bei dieser Gelegenheit auch seine Kramnik-Biografie vorstellen.
Carsten Hensel hat sein Buch über Wladimir Kramnik vorige Woche schon einer breiten Öffentlichkeit auf der Buchmesse in Leipzig vorgestellt. Der frühere Manager des 14.Weltmeisters wählte den Untertitel „Aus dem Leben eines Schachgenies“, doch das knapp 300 Seiten umfassende Werk ist mehr als eine reine Biographie. Darin zeichnet der Dortmunder Autor nicht nur das facettenreiche Porträt eines großen Figurenkünstlers und bemerkenswerten Menschen, sondern liefert zudem einen aufregenden Blick hinter die Kulissen der Schachwelt und ihrer jüngeren Geschichte.
Der Leser erfährt aus erster Hand viel Interessantes über Kramniks Werdegang vom Botwinnik-Schüler in den letzten Jahren der Sowjetunion bis zum Schacholymp und der mehrmaligen Verteidigung der WM-Krone sowie dem Leben danach. Als Zeitzeuge schildert Hensel nicht nur die Dramatik der Kämpfe seines Schützlings um den Weltmeistertitel oder bei Superturnieren der Schachelite. Man erfährt im Buch auch eine Menge über die kraftraubenden Auseinandersetzungen des Kramnik-Teams mit den Spitzen-Funktionären der FIDE, die in einer eigenen Parallelwelt leben und mehr an private Pfründe sowie ihre Günstlinge denken als an das Wohl aller Schachspieler.
Nach der fesselnden Lektüre des Buchs weiß man: Schach ist für Wladimir Kramnik vor allem Kunst, und diese sollte nach seiner festen Überzeugung geschätzt und vor allem verteidigt werden. Das bewies der Russe am Brett und bei vielen anderen Gelegenheiten, besonders aber beim skandalträchtigen „Toilettengate-Match in Elista 2006. Carsten Hensels Schilderungen über diesen beispiellosen Nervenkrieg (der Schreiber dieser Zeilen war in Kalmückien auch Augenzeuge vor Ort) lesen sich wie ein echter Krimi. Prinzipienfest und standhaft hat Kramnik seine klare Haltung bis heute bewahrt. Zudem interessiert er sich für viele Dinge des Lebens außerhalb der 64 Felder und könnte auch auf anderen Gebieten durchaus erfolgreich sein.
Als
Schachreporter hatte ich das Privileg, den Aufstieg sowie die erstaunliche Karriere des Russen über ein Vierteljahrhundert lang weltweit zu begleiten und konnte auf Bitten von Carsten Hensel etliche Fotos für das vorliegende Buch beisteuern.
Wo sind wir nicht überall mit dem „Schachzirkus“ gewesen! In Berlin, Bonn, Dresden, Paris, London, Wien, New York, Linares, Dos Hermanas, Tilburg, Wijk aan Zee, Monte Carlo, Riga, Moskau, Elista, Jerewan, Prag, Budapest, Miskolc, Sofia, Brissago, Las Vegas oder Bahrain. Und seit mehr als 25 Jahren permanent in Kramniks Wohnzimmer Dortmund, wo er bislang zehn Turniersiege verbuchte und 2017 „Silberhochzeit“ feiern konnte! Er steht längst im Guinness-Buch der Rekorde.
Allerorts, so vermittelt es auch das Buch, spürte man die Begeisterung der Schachfans über das außergewöhnliche Können dieses Figurenkünstlers, der es an Gedankentiefe mit den größten Schachkoryphäen aller Zeiten aufnehmen kann. Im
Buch kommentiert Wladimir Kramnik wegweisende Spiele seiner Karriere, und man findet auch sämtliche WM-Partien von ihm.
Weiter möchte ich hier nicht ins Detail gehen und empfehle die ausführliche Rezension von André Schulz auf der ChessBase-News-Seite.
Carsten Hensel ist vom 21. bis 25. März in Berlin und dann auch beim WM-Kandidatenturnier anzutreffen. Sein Kramnik-Buch, erschienen im Werkstatt-Verlag, kann am Buchstand im Kühlhaus erworben werden.
Dagobert Kohlmeyer