René Stern gewinnt das Juliana-Lagunow-Gedenkturnier
Viele Jahre hatte es gedauert, doch nun endlich gibt es das Gedenkturnier zu Ehren von Juliana Lagunow, die in der Nacht zum 3. April 2011 nach einer schweren Erkrankung im Alter von nur 40 Jahren verstarb. Die beiden Kinder Elina und Raphael verloren ihre Mutter, Alexander seine Frau. Alle drei waren natürlich gekommen zum 1. Juliana-Lagunow-Gedenkturnier des SK Zehlendorf. Sie gehörte dem Verein nie* an, doch ihre beiden Kinder lernten hier die große schöne Welt des Schachs kennen. Elina (damals 7 Jahre alt) meldete sie Anfang 2005 an, Raphael (damals 5) rund acht Monate später.
Nach der Eröffnung durch den Vereinsvorsitzenden Helmut Flöel sagte auch Alexander Lagunow ein paar Worte: “Liebe Schachfreunde, ich begrüße Euch alle hier. Vielen Dank für das zahlreiche Erscheinen zum ersten Juliana-Lagunow-Gedenkturnier beim SK Zehlendorf. Juliana – vielleicht haben einige von Euch sie auch persönlich gekannt – war aktiv in der Berliner als auch in der deutschen Schachszene. Zudem war sie sozial engagiert und hat in Berlin zwei Waldorf-Schulen mitgegründet. Die Idee eines solchen Turniers habe ich schon lange, seit etwa fünf Jahren. Nun wurde es verwirklicht und es ist schon fast symbolisch, das dieses Turnier beim SK Zehlendorf stattfindet. Hier hat Juliana ihre damals noch sehr kleinen Kinder angemeldet und damit deren Schachkarrieren gestartet.“
Über die Schachfamilie Lagunow und speziell auch über Juliana habe ich im BSV-Mitteilungsblatt 4/2010 (August 2010) einen längeren Beitrag gebracht. Ich war damals Redakteur der Verbandszeitschrift und hatte per E-Mail Kontakt mit Alexander und Juliana, ohne zu ahnen, das Juliana nur noch wenige Monate leben würde.
Nachfolgend der komplette Auszug über Juliana aus diesem Artikel.
Die Geschichte der Familie Lagunow beginnt 1978 als die acht Jahre zuvor in Riga geborene Juliana Woitinski aus der Sowjetunion nach Deutschland emigriert. Die Behörden wandeln ihren Vornamen in das deutscher klingende Juliane um. Erst 2008 gelingt der inzwischen zweifachen Mutter nach jahrelangen Behördengängen und einem „mühsamen Papierkrieg“ (Juliana) ihren Wunsch in die Rückbenennung in den “weiblicher klingenden” (Juliana) Geburtsnamen durchzusetzen.
Zum Schach fand Juliana bereits in ihrer ursprünglichen Heimat. Sie war etwa 7 Jahre alt, als ihre Mutter ihr die Regeln beibrachte. Spielen durfte sie allerdings immer nur mit den schwarzen Steinen. Juliana: „Meine Mutter meinte, weiße Figuren könne sie nicht erkennen.“
Schach entwickelte bei Juliana eine derartige Leidenschaft, daß ihre Mutter als Belohnung für Hausarbeiten eine gemeinsame Partie auslobte! Mit etwas anderen Augen sah später allerdings der Vater die Schachambitionen der Tochter. Er hatte sich immer gegen Vereinsschach ausgesprochen und meinte, Juliana „sollte lieber etwas Vernünftiges machen und in eine Disko gehen.“
Die väterlichen Ratschläge fielen glücklicherweise auf wenig fruchtbaren Boden. Zu ihrem 15. Geburtstag bekam Juliana ein Kinderscheckheft geschenkt. Darin enthalten war ein Gutschein für die Damenschachgruppe des Schachklubs Tempelhof. Dem konnte sie nicht widerstehen und meldete sich an.
Juliana bleibt mehrere Jahre Mitglied bei den schachspielenden Damen. In dieser Zeit wächst ihre Spielstärke kontinuierlich. Von 1987 bis 1990 gewinnt sie viermal hintereinander die West-Berliner Mädchenmeisterschaft. Auch bei den Frauen gehört sie bereits zum engeren Favoritenkreis. Im Mai 1987 wird sie Zweite bei der West-Berliner Damenmeisterschaft – mit einem halben Punkt Rückstand zur mit 5 aus 6 siegenden Brigitte Große-Honebrink. 1988 folgt ein dritter Platz. Diesmal schiebt sich noch die spätere Serienmeisterin Brigitte von Herman vor die beiden Erstplazierten des Vorjahres. 1989 wird Juliana wieder Zweite, diesmal hinter Ute Späte. 1990 spielten 11(!) Damen die Berliner Meisterschaft mit, allerdings keine aus dem Ostteil Berlins. Juliana startet wieder als Mitfavoritin und steigt nach 4 aus 6 aus dem Turnier aus. Im Endklassement wird sie Siebte.
Im gleichen Jahr erreicht sie zwei dritte Plätze bei einem Mädchen-Open in Hessen und bei der Deutschen Mädchenmeisterschaft U20 in Münster. Den SK Tempelhof hat sie da aber längst verlassen. Trotzdem denkt sie noch gern an diese Zeit zurück: “Ich habe nach wie vor sehr warmherzige Erinnerungen an die Gruppe und an den Trainer, obwohl wir nicht gerade auf Großmeisterniveau trainiert haben. Aber sie haben es geschafft, mein Interesse zu wecken und am Ball zu bleiben. Nicht zuletzt wurde es auch durch eine Frau aus der Schachgruppe ermöglicht, die mich abends – oft nach 23 Uhr – nach Hause gefahren hat.”
Die Trennung vom Verein kam ein Jahr zuvor, 1989. Der Wunsch, etwas von der Welt zu sehen, wird immer größer. Ein Schachturnier im Ausland sollte es nun sein, mit der Möglichkeit eine internationale Wertungszahl zu erspielen. Das Ziel war ein gemeinsamer Trip mit einem “Schachkumpel” (Juliana) nach Dänemark. Doch kurz vor der Abfahrt zerplatzt der Traum vom internationalen Turnier. Im Auto ist plötzlich nur noch ein Platz im Kofferraum frei. Dänemark adé – Verein adé. Juliana wechselte frustriert ihren Klub und – durfte sich doch noch über eine Auslandsreise freuen. Die neuen Schachfreunde wollten zu einem Turnier nach Miskolc in Ungarn und nahmen sie kurzerhand mit. Der Ausflug sollte ihr Leben verändern, denn hier lernte sie ihren späteren Ehemann kennen.
Doch nun ganz kurz noch zum Turnier (Fotos und Tabelle), das sehr gut besetzt war, obwohl leider nicht alle angekündigten Meister kommen konnten. Und Platz für ein paar Bretter im Hans-Rosenthal-Haus wäre auch noch gewesen.
Nachruf Juliana von Marcos Kiesekamp (beim Deutschen Schachbund)
Turnierseite beim SK Zehlendorf
Ergebnisse bei schachlinks.com
Turnierseite Berliner Schnellschach-Grand-Prix
Bildergalerie (mit allen 80 Fotos)
Frank Hoppe
* Ob Juliana Lagunow vor 1989 Mitglied des SK Zehlendorf war, ist mir nicht bekannt.