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Ilja Schneider Norddeutscher Blitzmeister

Beim Deutschen Schachbund berichtete ich bereits vor einer Woche, nachdem ich von Jürgen Kohlstädt die Tabelle erhielt: IM Ilja Schneider wurde in Barsinghausen überlegen Norddeutscher Meister im Blitzschach.

Hinter dem überraschend starken Delmenhorster David Höffer belegten vier Berliner die nächsten Plätze, darunter Dirk Paulsen von dem mich der nachfolgende Bericht erreichte.

Fotos von der Veranstaltung liegen leider nicht vor.

Bericht Dirk Paulsen

Die Norddeutschen und Deutschen Blitzmannschaftsmeister Torsten Sarbok und René Stern gönnten mir großzügig eine Mitfahrgelegenheit am frühen Morgen des 1. Juni 2014. Nun trainiert der reaktionsschnelle Torsten Sarbok offensichtlich beständig diese Inselbegabung, indem er auf der Autobahn, sobald sich 100 Meter freie Strecke vor ihm befinden, die Drehzahl seines pfeilschnellen BMW zum Anschlag bringt. So erreicht man, ehe man sich´s versieht, die 230 km/h, mal auch etwas höher, wobei er dann grinsend darauf verweist, dass der Wagen lediglich an dieser Stelle abgeriegelt ist, also im Prinzip locker die 300 km/h knacken würde, falls man ihn denn frei ließe. Nun erscheint ja der führerscheinlose René Stern durchaus als sehr besonnener Zeitgenosse, aber man hatte nicht das Gefühl, dass ihn dieses Reisetempo überraschte oder gar verängstigte, im Gegenteil machte sich auf den Vordersitzen nicht nur ausgesprochen gute Stimmung breit sondern zudem durchaus Entspannung. Dieses Gefühl konnte sich zwar nicht gänzlich auf mich übertragen, da ich aber nicht nur bei der Wahl von sowohl Art als auch Zeitpunkt meines Todes ausgesprochen großzügig bin — lange Jahre war ich der Überzeugung, dass mir eines Tages ein stechfähiges Insekt beim Radfahren in den Mund gelangen und dort dies tun würde, was es am besten kann, zum Schutze seines Artbestandes, mit der Folge des Erstickens, ohne, dass ich je darauf Rücksicht genommen hätte und beispielsweise den Mund geschlossen hätte — , blieb ich auch hier so weit ruhig, natürlich durchaus ab und an mal einwerfend, dass Gespräche bei diesem Tempo mit der einhergehenden Geräuschentwicklung sich schwierig gestalten würden, einem Kind gleich, welches die Angst vor der Achterbahnfahrt nicht direkt zum Ausdruck bringt und das Einsteigen verweigert mit der Begründung, das wäre ihm zu laut. Rationale Argumente hatte ich ebenfalls anzubieten: die Kurve der Unfallgefahr steigt exponentiell zur Fahrgeschwindigkeit und nicht etwa linear.

Sehr wohl erwähnt: als Selbst-Autofahrer beginnt man dann instinktiv „mitzufahren“ und Torsten hat durchaus beeindruckt mit seinem nicht nur beim Blitzschach (noch besser: Bullet!) fast schon legendären Reaktionsvermögen. Bei Ankunft fühlte ich mich also in etwa so, als ob ich selbst hinterm Steuer gesessen hätte — was durchaus vor einigen Jahren häufig genug der Fall war —, aber dennoch gab es fast durchgehend die mir angemessen erscheinenden Fahraktionen. Wenn ich also eine Tempoverminderung mit einem Anheben des rechten Fußes und einem Ansetzen des linken Fußes auf das Bremspedal vollführte, führte Torsten aktiv die identischen Aktionen durch, nein, vermutlich waren seine sogar noch passender. Über die gesamte Fahrt — Hin- und Rück- — hätte ich maximal drei Mal gesagt: das fühlte sich etwas riskant an (Beispiel: ein angedeutetes Rechtsüberholmanöver, als ein langsameres Fahrzeug partout nicht die linke Spur freigeben wollte). Tja, also wie nach einer eigenen Anfahrt kamen wir also gut gelaunt und überpünktlich im Turniersaal an, zu welchem uns das heute längst übliche Navigationssystem zielsicher führte.

Vor Ort also die Begrüßung einiger jahrelangen Weggefährten, die man aber aus dem einfachen Grunde so lange nicht mehr gesehen hatte, dass man einfach nicht mehr qualifiziert war oder, falls doch mal, die Teilnahme absagte. Wie Recherchen ergaben waren es 10 Jahre ohne eigene Teilnahme, da ich ja längst das Blitzspiel nicht mehr zu meinen Spezialdisziplinen (die da wären: ääääh….) zählen darf, wohingegen ich früher Dauergast war. Den alten Haudegen Karsten Schulz fragte ich in einer Spielpause, wie oft er denn nun so dabei gewesen wäre, worauf seine Antwort durchaus originell ausfiel mit einem: „Na, immer.“ So war es denn wohl auch…

Es begann ganz gut für mich, indem ich ein remisliches Turmendspiel gegen Mitscherling gewinnen konnte (ein eher akademischer Mehrbauer, der Vorteil aber dadurch schon auf meiner Seite). Das ging eigentlich ganz einfach, staunte ich. Auch die zweite Runde wurde ein Turmendspiel — noch ein Sieg. Es läuft?! In Runde 3 Gregor Salzberg, der erste Berliner. Eine umkämpfte Partie, am Ende suchte ich den Gewinnweg anstatt ins gerade noch zu erreichende Remis einzulenken, dann das erforderliche Zwischenschach vergessen, Turm weg, die erste Null. 50% waren jedenfalls ein Ziel, wie mir im Flur auch Matze Schöwel als seines nannte, wobei sein Schmunzeln, wie immer, nicht so ganz eindeutig zu interpretieren war. Meine Aussage war durchaus ernst gemeint.

Es ging aber wieder besser, mit ein paar Siegen, und als ich gegen den Berliner Blitzmeister Dennes Abel ein Remis herausholte in einer guten Partie, vielleicht am Ende sogar Vorteil hatte, der aber bis dahin noch gänzlich ohne Punktverlust da stand, bahnte sich, bei nun 6.5/9 doch an, dass es ein gutes Turnier werden könnte. Mich sprach schon Uli Krause an, dass für mich die Spielpause (ja, 29 Teilnehmer, weil der Turnierleiter zunächst bei 27 Teilnehmern frage, ob jemand was dagegen hätte, wenn Paul-Maximilian Mätzkow mitspielen würde, worauf es natürlich keine Gegenstimmen gab, als aber direkt danach Matthias Krallmann den Saal betrat, um 11:04, ließ er auch diesen zu, und nun Paul-Maximilian wieder herauszunehmen war schlicht undenkbar) genau zur Hälfte des Turniers und damit exakt richtig käme. So habe ich auch jetzt noch das Gefühl, dass ich sagen muss: „Vor der Pause…“. Also: vor der Pause gab es urplötzlich einen üblen Einbruch. Vier ganz schreckliche Partien in Serie, die ich allesamt haushoch hätte verlieren müssen, da passte gar nichts zusammen, und dennoch einen glücklichen Punkt daraus mitnahm, als ich bereits mit Minusqualität und ohne rechten Spielplan dastand und mein Gegner plötzlich einen Turm rüberreichte.

So ging ich also mit 8–2–6 in die Pause, was aber durchaus meinen positiven Träumen entsprach. Nun, Uli hat es gesagt, ich genutzt: die Pause kam zum idealen Zeitpunkt. Ich nutzte sie zu einem Spaziergang draußen, um einfach mal komplett abzuschalten. Eine, wie sich herausstellen sollte, klug gewählte Maßnahme. Denn: es kam nach der „Pause“ kein einziger Partieverlust hinzu! Ein Remis gegen Holger Hebbinghaus, als ich eigentlich die Partie bis zum Ende dominierte, aber, dem Sieg noch nicht entscheidend näher gekommen und die Zeit exakt bei 1:46 gegen 1:46 stand ich zwecks Sicherung des tollen Ergebnisses ein Remisangebot einfließen ließ, welchem er sich kaum verschließen konnte. Wie ich später erfuhr, war er nicht nur längst im Turnier zurückgefallen (denn: anfangs sein Name immer ganz oben angesiedelt) sondern wäre dieses Phänomen bereits von ihm bekannt: regelmäßiges Nachlassen in der zweiten Turnierhälfte. Auch so aber konnte ich zufrieden sein. Da hätte noch viel passieren können…

Vor der Schlussrunde ergab sich, einmal im Lauf befindlich, diese Stellung gegen den sehr veranlagten Blitzspieler Rainer Kleeschätzky:

Weiß: Dirk Paulsen, Schwarz: Rainer Kleeschätzky
Weiß am Zuge

Spontan fielen mir hier Wilhelm Steinitz´ Worte ein, die er gegen Ende seiner Karriere einmal ausgesprochen hat: „Ich bin ein alter Mann. Aber wenn man mir den Finger in den Mund steckt, dann beiße ich.“ Hier war dies in gewisser Weise geschehen, indem Rainer seinen h-Bauern aufzog. Die Folge: 1. Lg5xh6 g7xh6 2. Se5xf7! Kg8xf7 3. Sc4-e5+. Meinen letzten Zug begleitete er mit den Worten: „Wo kommt der denn her?“ Er fand noch 3…. Kf7-g7 und nach 4. Dh4-g3+ Sf6-g4, mit der Folge 5. Dg3xg4+ Le7-g5 6. Dg4-e4 Kg7-f8 7. De4-h7 Te8-e7 8. Dh7-h8#.

In der Schlussrunde wartete nun Paul-Maximilian, der ja wirklich gigantische Fortschritte gemacht hat. Ich hatte gleich ein ungutes Gefühl, benötigte aber „nur“ noch einen Sieg gegen das vermeintliche Leichtgewicht für Platz 2. Die Partie spielte er stark und ich schwach. Er gewann die Qualität, spielte zügig und unerschrocken, aber noch hielt meine Stellung irgendwie. Als ich die Qualle mit einem kleinen Trick zurückgewann, blieb tatsächlich plötzlich ein günstiges Bauernendspiel übrig, allerdings drängte die Zeit. Er hatte eine
halbe Minute mehr auf der Uhr. Ich fand den am Ende doch recht einfachen Gewinnweg nicht, verrechnete mich nach der Ablehnung seines Remisangebots, kam im Rennen zwar zuerst zur Dame, aber sein König war näher an den Restbauern. Vorteil für ihn, Mehrbauer nun im Damenendspiel, Zeitvorteil zudem, aber eine zu erwartende Schachserie, immerhin war ich am Zug. Da bot er mir Remis, was ich natürlich nicht ablehnen konnte, mit 26 gegen 45 Sekunden. Er war wohl auch zufrieden?!

So war es ein sehr erfolgreiches Turnier und auf der Rückfahrt fiel mir nur ein, dass René, der auch Deutscher Blitzmeister ist, doch nur einen Punkt mehr hätte holen sollen. Alle aus dem Auto punktgleich?! Hatte ich am Donnerstag beim Himmelfahrtsturnier noch mich selbst beweihräuchert, indem ich darauf hinwies, dass ich die Partien gegen meine Mitfahrer ganz vorbildlich verloren hätte, so durfte ich hier trotz des zum Donnerstag gegenteiligen Verhaltens noch immer auf eine Mitnahme zur Heimfahrt zählen, wobei die Geschwindigkeit auch dort hoch gehalten wurde… Blitzer eben, in verschiedenen Wortsinnen, wobei Torsten das Tempo regelmäßig den Vorschriften anpasste.

Tabellen sind außer beim DSB auch bei den Schachfreunden Nordost zu finden.