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Entscheidung des Vermittlungsausschusses im Fall Rotation Pankow

In dem Streitfall SC Rotation Pankow (Antragsteller) gegen den Berliner Schachverband (Antragsgegner) hat der Vermittlungsausschuss durch den Vorsitzenden Dr. Ferenc-Stephan Tóth, sowie die Beisitzer Reinhard Baier und Thomas Mothes auf der mündlichen Verhandlung vom 26. Mai 2015 beschlossen:

  1. Der Protest des SC Rotation Pankow gegen die Entscheidung des Landesspielleiters vom 15. März 2015 wird zurückgewiesen.
  2. Die Protestgebühr wird nicht zurückerstattet.

I.

Verfahrensgegenständlich ist ein Lebenssachverhalt, der sich am 8. März 2015 in der 8. Runde der BMM zugetragen hat. In der Landesliga war unter anderem ein Mannschaftskampf zwischen dem SC Rotation Pankow e.V. (2. Mannschaft) und SC Zitadelle Spandau 1977 angesetzt.

Nachdem sechs Spieler der Auswärtsmannschaft von SC Zitadelle Spandau 1977 – einer ursprünglichen und zwischenzeitlich überholten Veröffentlichung des BSV folgend – sich irrtümlicherweise zunächst bei dem ehemaligen Spiellokal des SC Rotation Pankow in der Körnerstraße 40 eingefunden hatten, stellten sie fest, dass der Mannschaftskampf im Hotel Königin Luise in der Parkstraße 87 stattfinden sollte. Dort kamen sie – immer noch zu sechst und mit einer gehörigen Portion Wut im Bauch, da sie davon ausgingen, es läge ein Versäumnis des SC Rotation Pankow vor – gegen 9.15 Uhr an, wo die Uhren bereits liefen. Verärgert, abgehetzt und aufgeregt stand die Frage im Raum, ob Zitadelle Spandau unter diesen Bedingungen überhaupt den Mannschaftskampf aufnehmen solle.

Schließlich machte einer, Patrick, den Vorreiter – „ehe noch mehr Bedenkzeit verloren ginge“ – und drei Mannschaftskameraden folgten seinem Beispiel. Einer von ihnen verließ nach 2 Halbzügen sogleich wieder den Raum und gesellte sich zu seinen beiden draußen verbliebenen Mannschaftskameraden, die telefonisch versuchten, die beiden noch nicht am Spiellokal eingetroffenen Mitspieler dorthin zu lotsen.

In dieser Situation traten zwei „Rotationer“ an die am Straßenrand vor dem Hotel befindliche Gruppe der „Spandauer“ heran, und schlugen „ da sie weder auf- noch absteigen könnten“, ein 4:4 vor, womit (auch) bei der Gastmannschaft alle anwesenden Spieler – „auch Patrick sonst ein erklärter Gegner von ohne Spiel vereinbarter Unentschieden“ – einverstanden waren. Der Spielberichtszettel wurde entsprechend ausgefüllt und unterschrieben. Draußen warteten die „Spandauer“ schließlich noch auf das Eintreffen ihrer letzten beiden Mannschaftskameraden, welches etwa gegen 9.45 Uhr (Carsten) bzw. kurz nach zehn (Matthias) erfolgte.

Noch am Sonntag wurde auf der Homepage des Gastvereins das Geschehen vom Vormittag – ebenso anschaulich und detailreich, wie inhaltlich zutreffend – als Spielbericht zusammengefasst und veröffentlicht.

Der Bericht lautete auszugsweise wie folgt:

BMM 14/15, Runde 8, Bericht Erste

Koko/3 hours ago

Wenn als Ergebnis eines Mannschaftskampfes acht Unentschieden angezeigt werden, dann glaubt wahrscheinlich jeder zu wissen, wie das zustande gekommen ist, und für süffisante Kommentare braucht man dann nicht mehr zu sorgen. Doch kam es auf eine etwas andere Weise dazu als sonst üblich, und die Geschichte geht so:

Zwei Gestalten nähern sich dem in der Körnerstraße, Berlin/Niederschönhausen, gelegenen Haus mit der Nummer 40. Es ist Sonntag, der achte Tag des März im Jahre 2015, kurz vor neun Uhr. Die Sonne scheint, die Vögel zwitschern, ein Hund bellt, wie ja meist irgendwo ein Hund bellt …

Carsten und Matthias waren immer noch nicht da und würden mit ziemlicher Sicherheit nicht mehr rechtzeitig eintreffen, zudem waren wir verärgert, abgehetzt und aufgeregt – wer soll denn da noch anständig Schach spielen können? Zähneknirschend machte Patrick aber plötzlich den Vorreiter und setzte sich ans Brett, bevor wir noch mehr Bedenkzeit verlieren, wie er meinte, und wenn er noch sein Auto umparken darf, obwohl ich eben noch gesagt hatte, dass wir unter diesen Bedingungen nicht antreten wollen, Eduardo und Uwe folgten Patricks Beispiel, also knirschte ich ebenfalls mit den Zähnen, warf meinen Rucksack ans Tischbein, schüttelte Lisek die Hand, knallte 1.d4 aufs Brett, drosch auf die Uhr, war aber außerstande nach Liseks Antwort 2.—e6 auch nur einen klaren Gedanken zu fassen, stand also wieder auf und ging zu Marko und Tony, die immer noch vor dem Hotel am Straßenrand standen und Carsten und Matthias telefonisch den Weg wiesen. Und wie wir da standen und in jedem roten Auto, das in der Ferne auftauchte, Carstens Auto zu erkennen glaubten, traten auf einmal zwei Rotationer auf mich zu und schlugen ein 4:4 vor, aufgrund der Umstände, und weil sie ohnehin weder auf- noch absteigen können, und auch wenn Carsten und Matthias deutlich zu spät kämen, aber wir wären ja immer vollzählig angetreten. Eine faire und sportliche Geste seitens der Rotationer, wofür ich mich an dieser Stelle noch mal bedanken möchte. Alle waren einverstanden, sogar Patrick, sonst ein erklärter Gegner von ohne Spiel vereinbarten Unentschieden, war diesmal geneigt, dem zuzustimmen. Der Spielberichtszettel wurde ausgefüllt und unterschrieben, womit das Ergebnis offiziell wurde. Patrick diskutierte mit seinem Gegner noch kurz über die sechs Züge, die sie aufs Brett gesetzt hatten, dann packten wir unsere Plünnen und begaben uns nach draußen, wo Marko und Tony immer noch standen, und warteten nun gemeinsam auf Carsten und Matthias. Carsten traf ungefähr viertel vor zehn ein, Matthias gar erst kurz nach zehn. Um den Rotationern zu zeigen, daß wir nun tatsächlich vollzählig sind, begaben wir uns noch einmal zurück ins Hotel, gingen erneut vorbei am Frühstücksraum, aus dem heraus uns die Kellnerinnen irritiert bis misstrauisch beäugten, waren wir doch gerade erst in entgegengesetzter Richtung vorbeigekommen, nun war diese Horde schon wieder da. Die Rotationer hatten sich eben zu einem Blitzturnier niedergelassen, wollten wohl nicht nach Hause gehen, ohne wenigstens ein bißchen Schach gespielt zu haben. Dann verabschiedeten wir uns endgültig und traten den Heimweg an.

Immer noch schien die Sonne, Vögel zwitscherten, Hunde bellten… Das Leben geht weiter.

Einem Vereinsmitglied des SC Weiße Dame, der eine in akuter Abstiegsnot befindliche – und zwischenzeitlich trotz allem auch abgestiegene – Mannschaft in der Landesliga am Start hatte, fiel der Spielbericht auf und er empfand die Lektüre augenscheinlich als gleichermaßen unterhaltsam wie aufschlussreich. Der SC Weiße Dame machte den Landesspielleiter auf den interessanten Artikel aufmerksam.

Der Landesspielleiter wertete daraufhin im Lichte der vorliegenden Erkenntnisse den Mannschaftskampf zwischen dem SC Rotation Pankow und Zitadelle Spandau mit 0:0.

Der Spielbericht wurde zwar zeitnah von der Homepage von Zitadelle Spandau genommen. Dass sich das Ganze genau so, wie in dem Artikel für jeden interessierten Leser noch am gleichen Tag detailreich und anschaulich beschrieben, zugetragen hat, steht jedoch außer Streit.

Gegen die Wertung durch den Landesspielleiter hat der SC Rotation Pankow mit Schreiben vom 28. März 2015 Protest eingelegt und begehrt den Mannschaftskampf unter Aufhebung der Entscheidung des Landesspielleiters mit 4:4 zu werten.

Der Antragsteller ist der Auffassung, die Entscheidung des Landesspielleiters entbehre einer formalen Grundlage, da der SC Weiße Dame gegen die von den beteiligten Mannschaften auf dem Spielberichtszettel mitgeteilte Wertung des Wettkampfes SC Rotation Pankow 2 gegen SC Zitadelle Spandau 1977 gerade keinen „offiziellen Protest“ eingelegt habe.

Auch inhaltlich erachtet der SC Rotation Pankow die Entscheidung des Landesspielleiters als unbegründet; „trotz aller Verteufelung bleibe ein Ergebnis von 4:4 mit 8x Remis an den Brettern ein mögliches und auch gültiges Resultat eines Mannschaftskampfes.“

Nach Ansicht des Antragstellers seien die Partien des Wettkampfes nicht nur ordnungsgemäß gestartet, sondern auch „jeweils mit einem einvernehmlichen Remisschluss gemäß der Artikel 9.1 der FIDE-Regeln beendet worden“. Entgegen der Auffassung des Landesspielleiters läge keine „unerlaubte Absprache“ vor, so dass auch weder die FIDE-Regeln, noch die Turnierordnung eine geeignete Grundlage für das „Nullen“ des Wettkampfes böte.

Augenscheinlich solle hier unter Außerachtlassung der schwierigen Rahmenbedingungen ein Exempel statuiert werden.

Die Sach- und Rechtslage wurde im Rahmen der mündlichen Verhandlung über den Protest am 26. Mai 2015, in welcher die Interessen des Antragstellers durch die Schachfreunde Martin Weber und Christian Düster und der Berliner Schachverband durch SF Martin Sebastian vertreten wurden, und an welcher auch Vertreter des SC Weiße Dame teilnahmen, umfassend und teilweise erschöpfend erörtert. Trotz entsprechender Aufforderung des Berliner Schachverbandes sämtliche Partieformulare des Wettkampfes beizureichen, vermochte der Antragsteller nur 2 vorzulegen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Verhandlungsprotokoll vom 26. Mai 2015 Bezug genommen.

II.

Der Protest ist zulässig. Die Anrufung des Vermittlungsausschusses ist gemäß § 9 Absatz 2 der Satzung des Antragsgegners statthaft, insbesondere auch form- und fristgerecht erfolgt.

Der Protest ist jedoch unbegründet. Die Entscheidung des Landesspielleiters ist nach Auffassung des Vermittlungsausschusses in keiner Weise zu beanstanden. Im Gegenteil erscheint sie sachgerecht, folgerichtig und auch in der Rechtsfolge angemessen und verhältnismäßig; von einem „Exempel“ kann keine Rede sein.

Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist die Entscheidung des Landesspielleiters (auch) formell rechtmäßig und entbehrt nicht einer „formalen Grundlage“ in Gestalt eines „offiziellen Protestes“. Es bedurfte für sein Handeln keines „offiziellen“ Protestes. Vielmehr war er nach Kenntniserlangung von dem Geschehen von Amts wegen gehalten einzuschreiten. Dem Landesspielleiter obliegt es vorrangig zur Aufrechterhaltung und Gewährleistung eines regelkonformen und ordnungsgemäßen Spielbetriebes beizutragen und über diesen zu wachen. Der Berliner Schachverband hat es sich zur Aufgabe gemacht das Schachspiel zu fördern (vgl. § 1 Absatz 2 der Satzung des BSV). Dafür richtet er gemäß § 1 VII seiner Satzung Turniere aus. Dafür engagieren sich seine Funktionäre – mit bisweilen erheblichem zeitlichen Aufwand – gemäß § 1 VIII seiner Satzung ehrenamtlich. So dürfte allgemein bekannt und auch anerkannt sein, dass der BSV über die Frage der Spielberechtigung der eingesetzten Spieler wacht und es ihm obliegt im Fall des Einsatzes eines nicht spielberechtigten Spielers einzugreifen und das gemeldete Ergebnis von sich aus zu korrigieren.

Solches muss erst recht im Fall einer „unzulässigen Absprache“ gelten. Dies gilt umso mehr, als dass in einem solchen Fall von den unmittelbar beteiligten Mannschaften naturgemäß ohnehin kein Protest zu erwarten ist. Vorliegend kam der Landesspielleiter durch sein unverzügliches Handeln einem „offiziellen Protest“ des Hinweisgebers, des SC Weiße Dame zuvor. Durch die erfolgte Wertung des gegenständlichen Mannschaftskampfes stellte er sowohl den SC Weiße Dame als auch andere von der Absprache mittelbar betroffene Vereine klaglos, so dass es von deren Seite gar nicht mehr zu Protesten kommen konnte.

Der Landesspielleiter hat auch in der Sache rechtmäßig gehandelt. Zutreffend wertete er das Geschehen als unerlaubte Absprache der beteiligten Mannschaften des Antragstellers und des SC Zitadelle Spandau und wertete den Mannschaftskampf folgerichtig mit 0:0.

Selbstverständlich ist dem Antragsteller ausdrücklich einzuräumen, dass auch ein 4:4 auf der Grundlage von 8 Remispartien ein grundsätzlich statthaftes und wirksames Ergebnis darstellen kann. Der Antragsteller scheint freilich – und dies ist zumindest verwunderlich – zu verkennen (oder zumindest verkennen zu wollen) dass es für die Frage, ob bei einem Mannschaftskampf eine unzulässige Absprache vorliegt, nicht auf das „nackte“ Resultat, sondern vielmehr die Art und Weise seines Zustandekommen ankommt. Der Landesspielleiter hat nichts „verteufelt“ – schon gar kein Ergebnis. Er hat aber im Hinblick auf den konkreten Lebenssachverhalt dem von den beteiligten Mannschaften einverständlich festgelegten und ihm mitgeteilten Ergebnis vollkommen zu Recht die Anerkennung versagt.

Das grundsätzliche Problem bei unzulässigen Absprachen dürfte abgesehen von der „Grauzone“ und der Schwierigkeit randscharf zu bestimmen, ab wann in Grenzfällen bereits von einer solchen auszugehen ist und wann noch nicht, die Feststell- und Nachweisbarkeit einer solchen sein. Die kollusiv zusammenwirkenden Mannschaften werden sich nicht nur „im Ergebnis einig sein“, sondern auch darin, dass dieses Bestand haben soll. Solange wenigstens formal, äußerlich alles mit rechten Dingen zugeht, dürfte der „vermittlungsausschussfeste“ Nachweis einer unzulässigen Absprache nur sehr schwer und auch nur in Ausnahmefällen möglich sein.

Dieses grundsätzliche Problem stellt sich freilich nicht, wenn alle entscheidenden Fakten „brühwarm“ („3 hours ago“) auf überaus unterhaltsame und anschauliche Weise (- als wäre man selbst dabei gewesen-) mit kompletten Insiderwissen im Internet veröffentlicht werden. Man fühlt sich unwillkürlich an Jugendliche erinnert, die eigene Straftaten filmen und sodann die Aufnahme ins Netz stellen.

Vorliegend kann aus Sicht des Vermittlungsausschusses – zumindest eine grobe Kenntnis der grundlegenden Regeln unterstellt – im Hinblick auf die ebenso unstreitige wie erdrückende und klare Sachlage nicht ernsthaft darüber gestritten werden, ob eine unzulässige Absprache vorliegt. Die beteiligten Mannschaften haben den Graubereich längst verlassen, „den Rubikon überschritten“ und befinden sich insoweit auf sicherem, klar definiertem Gebiet.

Allenfalls ein erster, äußerst vager Indikator für eine unzulässige Absprache, mag das „nackte Ergebnis“ in Gestalt von Remis an allen Brettern sein. Allerdings gewinnt dieses Indiz erheblich an Kraft, wenn sich dann auch noch herausstellt, dass der Spielberichtszettel der das Ergebnis mit 4:4 und Remis an allen Brettern auswies bereits nach weniger als 45 Minuten ausgefüllt und unterschrieben war. Dies gilt erst recht, wenn die „längste“ Partie eines Mannschaftskampfes 6 Züge dauerte und die kürzesten nur einen Halbzug.

Da dürfte bereits vom äußeren Geschehensablauf nicht mal mehr der Anschein eines ordnungsgemäßen Mannschaftskampfes gewahrt sein.

Es kann jedoch dahin stehen, ob dies alles für sich genommen ausreichen würde, um den Mannschaftskampf zu „nullen“. Vorliegend wurden nicht nur Partien schon Remis gegeben, bevor beide Spieler mindestens einen Zug gemacht hätten, sondern gar solche, bei denen die Spieler noch nicht einmal eingetroffen waren.

Aus aktuellem Anlass sowie auf ausdrückliche Bitte des Antragstellers erlaubt sich der Vermittlungsausschuss in diesem Zusammenhang auf nachfolgende Regelungen hinzuweisen:

Art 5 Ziffer 2 c der FIDE-Regeln besagt, dass die Partie durch eine von den beiden Spielern während der Partie getroffene Übereinkunft Remis endet. Hierzu heißt es bei Ralph Alt in seinen Kommentaren zu den FIDE-Regeln (etwa für Schiedsrichterlehrgänge):

Die Vereinbarung muss zwischen den Spielern getroffen worden sein. Dritte Personen, wie zum Beispiel auch Mannschaftsführer, Trainer, Betreuer oder Eltern können diese nicht treffen.

Ferner führt er wie folgt weiter aus: „Das Remisangebot kann nur während der Partie abgegeben werden … Ein Remisangebot, das abgegeben wurde, bevor nicht mindestens jeder Spieler einen Zug ausgeführt hat, ist nicht gültig, ebenso eine hierauf beruhende Vereinbarung. Das Ergebnis lautet 0-0.“ (vgl. http://www.osv1887.de/wp-content/uplüads/2013/08/SR2013 FIDERegeln 1304.pdf)

Ähnlich wird es auch in den Regelauslegungen von der Schiedsrichterkommission formuliert:

„Remisvereinbarungen sind nur „während der Partie“ gestattet. Vor Beginn sowie nach Beendigung der Partie getroffene Vereinbarungen sind unwirksam. Derartige Vereinbarungen werden vom Schiedsrichter nicht akzeptiert“ (vgl. http://srk.schachbund.de/regelauslegung.html).

Da die vorliegende Absprache der beteiligten Mannschaften nur „en bloc“ vorstellbar ist, erstreckt sich ihre Regelwidrigkeit auch auf die zunächst ordnungsgemäß aufgenommenen und auch geführten Partien. Es ging bei der Absprache gerade nicht um die einzelnen Partien, sondern vielmehr um das „Gesamtpaket“.

Bereits aus dem Ausgeführten ergibt sich, dass der Landesspielleiter mitnichten „ein Exempel statuiert“ hat, sondern sich vielmehr – nach Auffassung des Vermittlungsausschusses sogar mit viel Augenmaß – darauf beschränkt hat, den Mannschaftskampf zu „nullen“ ohne auf weitergehende Konsequenzen hinzuwirken.

Möglicherweise sah er hiervon ab, da er zugunsten der Handelnden berücksichtigte, dass es vorliegend nicht bereits im Vorfeld des Mannschaftskampfes zu der unzulässigen Absprache kam, sondern sich die Anwesenden vielmehr spontan aus der Eigendynamik der eingetretenen, durch widrige Umstände gekennzeichneten Situation entschlossen, von der ordnungsgemäßen Durchführung eines Mannschaftskampfes abzusehen, sich auf ein 4:4 zu verständigen und einen Sonntag – an welchem die Sonne schien, Vögel zwitscherten und Hunde bellten – anderweitig zu nutzen.

Er mag auch vor Augen gehabt haben, dass gerade der Antragsteller aus einer Position der Stärke heraus agierte – er hätte voraussichtlich nicht nur 2 Punkte kampflos bekommen, sondern hätte auch an den übrigen 6 Brettern nicht unerheblich mehr Bedenkzeit gehabt – und sich möglicherweise gerade besonders sportlich und fair verhalten wollte. Man hatte augenscheinlich weder Lust auf Stress noch auf ein in Betracht kommendes Nachspiel. Der Antragsteller handelte mithin zumindest von verständlichen Motiven geleitet und aus Sicht des Gegners sogar durchaus kulant.

Ausgeblendet blieb dabei freilich, dass das, was der SC Zitadelle Spandau als bemerkenswerte sportlich faire Geste des Antragstellers empfunden haben wird, von Seiten der vom Ergebnis mittelbar betroffenen anderen Mannschaften, für die eine Niederlage der Auswärtsmannschaft vorteilhaft gewesen wäre, eine Wettbewerbsverzerrung darstellt.

Nur der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass wenn vorliegend nicht auch die Vielzahl „mildernder Umstände“ bei dem Antragsgegner erkannt worden wäre, sich für das Präsidium auch die Frage einer auf § 12 Absatz 1 Ziffer der Satzung des BSV gestützten Verbandsstrafe viel drängender gestellt hätte.

Schließlich sei in diesem Zusammenhang vorsorglich darauf hingewiesen, dass Schiedsrichter, die sich an Partieabsprachen beteiligen, gemäß § 62 Absatz 2 der Satzung des Deutschen Schachbundes sogar ihre Lizenz riskieren. Es heißt dort:

„Die Schiedsrichterkommission hat mit einer Mehrheit von zwei Dritteln ihrer Mitglieder die Befugnis,

  1. Die vom Bund verliehenen Schiedsrichterlizenzen zu entziehen,
  2. Verliehene Schiedsrichterlizenzen nicht zu verlängern,
  3. Nichtzulassungen zu Lizenzlehrgängen auszusprechen,

sofern ein grober Verstoß gegen die Turnierbestimmungen der FIDE oder des DSB vorliegt, z.B. bei Beteiligung an vorsätzlichen Partieabsprachen oder Ergebnismanipulationen. Die Maßnahmen können zeitlich befristet oder auf Dauer verhängt werden.

Der Schiedsrichterobmann ist berechtigt, vorläufige Maßnahmen zu ergreifen.“

Im Hinblick auf die Erfolglosigkeit des Antrages kommt eine Erstattung der Protestgebühr vorliegend nicht in Betracht.

Thomas Mothes
Reinhard Baier
Dr. Ferenc-Stephan Toth