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Schönes Finale

Dass ich einen Beitrag mit einer Empfehlung beginne, ist ungewöhnlich, aber in diesem Fall unbedingt notwendig. Also, wenn Sie in diesem Jahr zwischen Weihnachten und Neujahr an einem Schachturnier
in der deutschen Hauptstadt teilnehmen möchten, dann lautet mein heißer Tipp das dann 8. Internationale Winter-Open des SC Zugzwang.

Ich bin bei der zurückliegenden siebten Auflage zu einer Stippvisite vorbei gekommen, weil mir die im Vorfeld avisierte Teilnehmerzahl von weit über 100 zur Sammelaktion für den Erhalt der am 24. November 2013 der Öffentlichkeit übergebenen Kurt-Richter-Grabstätte auf dem Friedhof  der Evangelischen Kirchgemeinde in Berlin-Karlshorst ausreichend erschien. Und um es vorab zu sagen, ich habe mich nicht getäuscht, denn es sind insgesamt 101,00 € zusammen gekommen, was für Miete und Pflege für ein ganzes Jahr ausreicht.

Doch nun zum aktuellen Turniergeschehen. Als ich an jenem letzten Sonntag im Dezember zur fünften Runde im Rathaus Pankow eintraf, war ich angenehm überrascht, dass die Schachspieler hier ein Gastrecht für vier Tage haben – und es mit Leben ausfüllen. Und es muss erst recht ein tolles Gefühl sein, im wunderschönen historischen Rathaussaal die „Figuren über die Bretter“ tanzen zu lassen. In Berlin kenne ich vergleichbare Spielbedingungen nur im John-F.-Kennedy-Saal im Rathaus Schöneberg, wo die Bundesliga-Mannschaft der Schachfreunde Berlin ihre Heimspiele austrägt. Aber das sind ja Profis, und in Pankow spielt im Grunde beim Winter-Open Jedermann bzw. Jederfrau nicht zuletzt Schach aus Freude.

Interessant ist sicherlich die Geschichte, wie die Veranstalter ins noble Rathaus gekommen sind. Hendrik Madeja, der 1. Vorsitzende vom SC Zugzwang und im Turniersaal schon allein wegen seiner immer „schussbereiten“ Kamera nicht zu übersehen, hat sie mir in aller Kürze erzählt. „In das Rathaus sind wir eigentlich durch ein Missverständnis gekommen, die verantwortliche Verwaltung dachte, wir würden eine Silvester-Party machen und daher keinen Argumenten gegenüber aufgeschlossen. Ich stand also am 27. Dezember 2010 vor dem Quartierspavillon in der Thomas-Mann-Straße, es schneite und musste 100 enttäuschten Schachspielern mitteilen, dass unser Turnier ausfällt.“

Für manchen Veranstalter wäre das wohl das endgültige Aus einer solchen Veranstaltung gewesen, nicht aber für das Team vom SC Zugzwang. „Der freundliche und verständnisvolle Bürgermeister Matthias Köhne (SPD) konnte zwar nichts am einmal gefassten Beschluss ändern, aber ab dem Jahr 2011 stellte er uns das Rathaus zur Verfügung stellen, und seit dieser Zeit haben wir für unser Turnier Planungssicherheit, Die Ausrichtung 2014 ist bereits fest vertraglich gesichert“, so Hendrik Madeja.

Bezirksbürgermeister Köhne lässt es sich im Übrigen persönlich nicht nehmen, als Schirmherr das Turnier zu eröffnen und er ist auch bei der Siegerehrung dabei.

In einem  kurzen Gespräch mit Hendrik Madeja wurde  aber auch deutlich, dass der Erfolg vor allem von den  zahlreichen ehrenamtlichen Helfern garantiert wird, die es gilt, immer wieder auch positiv zu motivieren. Für eine gute Turnieratmosphäre sorgen nämlich nicht nur die hervorragenden Spielbedingungen in dem schon erwähnten Rathaussaal, wobei auch die beiden angrenzenden Räume „ausgelastet“ sind, sondern ein bezahlbarer Imbiss gehört ebenso dazu wie ein Aufenthaltsraum zur Analyse, die besonnenen Schiedsrichter im Hintergrund wie Martin Sebastian oder die Berichterstattung im Internet durch den Webmaster des Vereins. Und ich bin mir sicher, längst nicht alle „Schaltstellen“ aufgezählt zu haben!

Natürlich ist für die Resonanz nicht zuletzt die Turnierbesetzung und die ausgelobten Preisgelder ausschlaggebende Faktoren. Einige Berliner Spitzenspieler wie Ilja Schneider, Dennis Abel (beide Sfr. Berlin), Jakob Meister (SK Zehlendorf), Sergej Kalinitschew (SC Kreuzberg) und Michael Richter (SK König Tegel), der das Meisterturnier gewann, zog es beispielsweise nach Thüringen zum 23. Erfurter Schachfestival. Doch  das Teilnehmerfeld in Pankower Rathaus konnte sich dennoch sehen lassen, denn vor allem die Breite der guter Berliner Schachspieler wurde trefflich durch die Konkurrenz aus Brandenburg ergänzt.

Das Turnier mit insgesamt 139 Teilnehmern aus neun Nationen(!) versprach also Spannung, und vor der ersten Runde war lediglich klar, dass es keine Titelverteidigung geben würde. Vorjahressieger Benjamin Dauth hatte nämlich nicht gemeldet, dafür gehörte der Sieger von 2011 Georg Kachibadze (SK König Tegel) durchaus zum erweiterten Favoritenkreis. Doch in Runde 3 erwischte es den Bundesliga-Spieler vom SK König Tegel gegen Dr. Klaus Kapr (SC Friesen Lichtenberg) der immer für eine Überraschung gut ist. Am Ende blieb dann Platz 10 und sicherlich der Vorsatz, es bei einem erneuten Start besser zu machen.

So wie Ralf Schöne. Der IM vom Oberligisten TSG Neuruppin hatte bei seinem „schönen Finale“ auch das nötige Glück. Während er gegen FM Dr. Peter Welz – der wurde als bester Senior geehrt – seine Partie gewann – gelang dies IM Ulf von Herman (SK König Tegel) nicht. Er trennte sich von FM Martin Brüdigam (USV Potsdam) remis, und so entschied wieder einmal die ungeliebte Wertung über den Turniersieg bei jeweils 6/7 des Quartetts an der Spitze. Hier hatte Ralf Schöne mit 34,5 Buchholzpunkten vor Drazen Muse (SK König Tegel/34,0), Ulf von Herman (34,0) und dem gegenwärtig vereinslosen Walter Schatz (32,5) die Nase vorn.

Ein wichtiges Merkmal des Winter-Open, das Elo ausgewertet  wird, ist sicherlich, dass es Preise in verschiedenen Leistungskategorien gibt – diesmal waren es fünf nach DWZ-Zahlengruppen gestaffelt. Außerdem wurden die besten Jugendlichen. Frauen und Senioren geehrt.

Erstmals wurde in Erinnerung an Kurt Richter zudem ein Schönheitspreis vergeben. „Berlin hat eine reiche und spannende Schachgeschichte, die aber nicht allen Berliner Schachspielern bewusst oder bekannt bist. Insofern stiftet die Edition Marco gern gerade diesen Schönheitspreis, um die Identifikation mit der eigenen Geschichte zu stärken und auch um im Geiste Kurt Richters schachliche Leistungen zu würdigen. Dank an Raymund Stolze für seine Initiative und Vermittlung bei der Vergabe“, so Verleger Arno Nickel.

Das gerade in seinem Verlag erschienen Buch Berliner Schachlegenden, in dem der Autor Michael Dombrowsky ein Kapitel dem „Scharfrichter von Berlin“ gewidmet hat, erhielt mit August Hohn übrigens ein verdienstvolles Mitglied des gastgebenden Vereins.    

Und was die Kategorie Jugend und dazu weiblich angeht, muss ich doch eine Entdeckung mitteilen. Die prominenteste Teilnehmerin kam aus der Mongolei und wurde 2010 in Porto Carras in der Altersklasse U10 Jugendweltmeisterin. Es war Nominerdene Davaademberel, die auf Rang 39 mit 4,5/7 landete. In Runde 5 konnte ich selbst erleben, wie die 13-jährige Frauen-FIDE-Meisterin in einem „netten“ Turmendspiel  den nach Elo deutlich stärken männlichen Konkurrenten André Buttkus vom SK Tempelhof bezwang. Doch sehen Sie selbst. Die Partie hat Nominerdenes Vater ausgesucht und wurde mir von Martin Sebastian übermittelt.

André Buttkus, A. – WFM Davaademberel, N.

7. Internationales Winter-Open, Runde 5, Pankow, 29.12.2013

Damenbauernspiel/Colle-Aufbau

1.b3 d5 2.Bb2 Nf6 3.Nf3 e6 4.e3 Be7 5.d4 0–0 6.Bd3 b6 7.Ne5 Bb7 8.Nd2 Nbd7 9.Qf3 Bb4 10.Qh3 Bxd2+ 11.Kxd2 Ne4+ 12.Ke2 f5 13.f3 Nxe5 14.dxe5 Nc5 15.Ba3 Re8 16.Bxc5 bxc5 17.Rad1 Qc8 18.g4 c4 19.bxc4 dxc4 20.Bxc4 Ba6 21.Bd3 Bxd3+ 22.cxd3 Qb7 23.gxf5 Qb2+ 24.Rd2 Qxe5 25.Qg3 exf5 26.Qxe5 Rxe5 27.Rc1 c5 28.Rdc2 f4 29.e4 Rh5 30.Kf1 Rd8 31.Rxc5 Rxc5 32.Rxc5 Rxd3 33.Ke2 Ra3 34.Rc2 Kf7 35.Kf2 a5 36.Rd2 Ke6 37.Ke2 g5 38.Kf2 Ke5 39.Rd5+ Kf6 40.Rd2 Ke6 41.Ke2 h6 42.Kf2 Rc3 43.h3 a4 44.Rb2 a3 45.Rb6+ Ke5 46.Rxh6 Rc2+ 47.Kg1 Rxa2 48.Rg6 Kd4 49.Rxg5 Ke3 50.h4 Kxf3 51.h5 Rc2

Nominerdene dürfte ganz nebenbei gesagt, die bisher einzige echte Weltmeisterin gewesen sein, die bei den bisherigen Internationalen Winter-Open-Turnieren am Start war. Und ich habe diese Partie sogar live erlebt!

Alle Ergebnisse – Runde für Runde – sowie die kompletten Preisträgerlisten finden Sie unter dem Link http://www.zugzwang95.de/?p=3222.

Und ich habe auch noch eine aktuelle Info für Ihre Pfingstplanung in diesem Jahr. Das „ALLE 18 – Open“ des SC Zugzwang 95 mit fünf Runden im Schweizer System findet vom 6. bis 8. Juni im Quartierspavillon statt. Natürlich mit traditionellem Bruchbuffet…

Raymund Stolze