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“Farbenblind im Variantenlabyrinth!” oder “Weiße Weihnacht im Paris des Ostens!”

Vlastimil Hort der im Januar seinen 70. Geburtstag feiert, schlug Anfang der 1980er Jahre einmal vor, daß man die Informatorenzeichen um das Zeichen ”H” wie Halluzination erweitern sollte. Der Weltklassemann der auf eine lange und bewegte Schachkarriere zurückblicken kann muß es wissen: Legendär sein unglaublich Patzer beim Kandidatenviertelfinale 1977 gegen Ex-WM Boris Spasski. In Führung liegend, überschritt er in der vorletzten Partie in einer total gewonnenen Stellung die Bedenkzeit.

Der tschechoslowakische Bär,wie er oft von seinen ”Schach der Großmeister”-TV-Cokommentator Helmut Pfleger genannt wurde, brauchte in dieser Partie quasi nur den letzten Kontrollzug auszuführen und war mit einem Bein im Halbfinale. ”Die Hand kreiste um die Figur aber sie konnte nicht ziehen!” kommentierte Vlasti diese schicksalshafte Begegnung.

Der schwejkische Gemütsmensch bekam nach diesem Albtraum nie mehr wieder die Chance um die Weltmeisterschaft zu spielen (Hort war damals mit 33 Jahren im besten Schachalter).

Ich möchte mich im folgenden um ein interessantes Phänomen beschäfftigen,was mir in den letzten Jahren zunehmend in eigenen aber in vielen anderen Partien auffiel:

Die Farbenblindheit bei der Variantenberechung!

Der prominenteste und einer der dramatischen zugleich, ist die 9. Partie der WM Anand-Carlsen (s.a. Dirk Poldauf fantastischen Artikel im SCHACH Januar 2014). Vishy rechnete bei seinen fulminanten Angriff ausschließlich mit Verteidigungsmotiven, die sich mit der Rückkehr der zweiten Dame entlang der Diagonalen b1-g6 und d1-h5 beschäftigen. Alles weiße Felder! Aber was übersah er jedoch bei Sf1? Die prosaische Verteidigung De1, was die Attacke mittles Th4 überdeckt und…. ein schwarzes Feld ist!

Hört sich zu sehr Küchenpsychologie an?

Nach dem WM-Match traf ich anlässlich der Schwedischen ELITE- Mannschaftsmeisterschaft Ende November – in meiner Heimatstadt Västeras – den Dänen Peter Heine Nielsen. Den großgewachsenen Skandinavier kenne ich seit seinem historischen Sieg in Hastings 2004 ganz gut, und befragte ihn zu meiner Theorie.

Bekanntlich sekundierte Peter Heine sowohl Anand wie auch Carlsen, und er zeigte sich zuerst sehr erstaunt ob meiner Theorie. Aber er gab aber nach längeren Nachdenken offen zu, dass ihm dieses ”Mißgeschick” tatsächlich ”in den letzten Jahren” viel zu häufig widerfahren ist.

Nun ja, ich möchte mir nicht anmaßen dieses Phänomen wie seinerseits Hort, als Informatorzeichen vorzuschlagen (wie wäre es z.B. mit CB wie ”colourblindness”) aber als praktizierenden ”Schachtherapeut” (zu diesem Thema ist R. Blodig im Kania-Verlag herausgegebenes Buch eine hervorragende Einstiegsliteratur) möchte ich Ihnen folgendes gelungene ”Weißfeldpartie” vorstellen:

J.Brustkern – R.Farkas First Saturday Budapest Dez-2013

Weihnachtszauber fauler Zauber?!?

Jedenfalls hätte mein letztes Turnier 2013 ein verdientes 50%-Happyend haben können.

Wenn, ja wenn ”Dr.Psycho” sich in seiner Schlußrundenpartie gegen den russischen U14-Auswahlspieler Saviely Gobulev nicht auf das königsorientierte ”Angriffsfeld” c6 fixiert hätt, sondern einfach den Mehrbauer auf h7 (den Weiß aber als ”unwichtig” abhakte) weggenommen hätte. Natürlich verlor der schneeerprobte ”Weihnachtsmann” am Ende das Endspiel noch .

Ein anderer Weihnachtsmann – Harald Lieb der am 25. Dezember seinen 79. feierte – wurde in dem hervorragendem Buch ”Berliner Schachlegenden” aus der Arno Nickel Edition gebührend gewürdigt. Das Buch fokussiert die Berliner Spitzenspieler der 60er Jahre und bekommt von Ihrem Autor eine fünf Sterne Empfehlung.

Nun beendet Ihr farbenblinder FM seinen Bericht mit den besten Wünschen für das neue Jahr 2014! Euer K.u.k. Schachsoldat

Jürgen Brustkern